19. Eintrag

Ganz offensichtlich bin ich doch nicht mehr ganz bei Verstand. Ein paar Leute aus dem Bunker sind mir, mehr oder weniger freiwillig, gefolgt. Thomas, Ramon, David, Lara und Sophie. Sie meinten ich sei ganz panisch ins Freie gestürzt und dann nur noch gerannt, aber irgendwie hab ich das anders in Erinnerung. Naja, egal. Sie haben sich Sorgen gemacht, weil ich einen leeren Rucksack mitgenommen habe und wollten mich zurückholen. Scheinbar habe ich ständig etwas von Osten geredet, aber keiner hatte eine Ahnung was ich dort wollte. Sie wollten mich davor bewahren, dass ich in meinen sicheren Tod laufe, was ihnen im Endeffekt das Leben gerettet hat. Für den Fall, dass sie Draußen übernachten müssen, haben sie sich Essen eingepackt und sind mir ins Freie gefolgt. Lisa war zu verstört von den jüngsten Ereignissen, also haben sie sie zurückgelassen, genau wie die zwei anderen Frauen. Der Mann mit der Panikattacke lag zu dem Zeitpunkt noch bewusstlos am Boden. Als die Fünf aus dem Bunker gegangen sind um nach mir zu suchen, ging hinter ihnen plötzlich das Tor zu. Die Versuche das Tor wieder zu öffnen waren vergebens. Als sie bereits aufgegeben hatten und mit der Suche nach mir beginnen wollten, hörten sie plötzlich wieder das laute Knacken und das Tor sprang einen Spalt auf. Neugierig hat Ramon die Initiative ergriffen und ist zurück in den Bunker gegangen um zu entdecken, dass alles nur noch Staub und Asche war. Scheinbar ist alles verbrannt. Nicht einmal ein kleines Feuer war noch zu finden, denn es war nichts mehr da, das noch brennen hätte können. Dieses Detail hat er den anderen aber erspart und nur mir erzählt. Das war jedenfalls genug Ansporn um sofort auf die Suche nach mir zu gehen. Zu deren Glück war Ramon Leiter bei den Pfadfindern und hatte einige Ahnung vom Fährten lesen und so hat er, wie schon zuvor, die Führung bei der Suche nach mir übernommen. Scheinbar hatten sie keine Probleme mich zu verfolgen. Knapp nachdem ich mit meinem letzten Tagebucheintrag fertig war, sind sie hier beim Haus angekommen. Es war schon hell, aber sie haben keinen sicheren Platz zum übernachten gefunden. Diese Leute hätten wegen mir sterben können, hätten sie das Haus nicht gefunden. Andererseits wären wir jetzt wohl alle tot, wären wir im Bunker geblieben.
Heute habe ich mir den Himmel angeschaut und musste feststellen, dass mir der Sternenhimmel vollkommen fremd ist. Ich erkenne einfach keine Sternbilder. Vielleicht ist es schon zu lange her, dass ich darauf geachtet habe oder es liegt daran, dass man viel mehr Sterne sieht, als in einer Vorstadt, immerhin bin ich kein Astronom, sondern Buchhalter. Auch Ramon, in den ich meine letzte Hoffnung gelegt hatte, meinte er sei mit Sternennavigation nie zurechtgekommen. Es könnte genausogut ein fremder Planet sein auf dem wir uns befinden, mittlerweile würde ich wirklich alles glauben. Meinem Verstand traue ich auch nicht mehr. Der Strichcode auf meinem Nacken war offensichtlich auch nur Einbildung. Thomas meinte, dass ich das wohl aus irgendeinem Film habe.
Wir haben beschlossen noch einen Tag hier zu bleiben und uns Gedanken darüber zu machen wie wir weiter vorgehen sollen, bevor wir unsere sichere Position aufgeben. Alle sind sich einig, das wir nach unseren Familien suchen müssen, zumindest denen von David und mir, alle anderen sind entweder nie verheiratet gewesen oder geschieden und Kinder habe nur ich. Davids Frau war schwanger als er von ihr getrennt wurde, allerdings war sie in guten Händen bei den Leuten bei denen sie waren, bevor er entführt und in den Bunker gesteckt wurde.
Das Gewand, das ich gestern im Schrank gefunden habe, ist uns allen zu groß, was irgendwie auch zu erwarten war, immerhin haben wir alle sehr lange mit sehr wenig Nahrung auskommen müssen und sind jetzt einigermaßen abgemagert. Wir werden uns aber trotzdem etwas in die Rucksäcke packen, man weiß ja nie was einen erwartet.
Sophie scheint sich an Ramon heranzumachen und ich weiß es sollte mich nicht stören, aber aus irgendeinem Grund tut es das. Ich versuche mich damit abzulenken an meine Familie zu denken, aber es fällt mir immer schwerer. Was wenn sie auch in so einem Bunker verbrannt sind. Würden sie mich mit meinem entstellten Gesicht überhaupt noch wiedererkennen. Warum redet Sophie ständig mit Ramon.

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