34. Eintrag

Vielleicht wäre es besser diesen Eintrag nicht zu machen, aber ich kann niemandem erzählen was ich jetzt niederschreiben werde und irgendwie muss ich diese Last loswerden. Meine Finger frieren noch immer von dem Horror dessen ich - wir heute Zeugen geworden sind. Das es meine Schuld ist, macht die ganze Sache nicht einfacher.
Obwohl ich schon sehr müde war, weil ich die letzten Tage nicht gut geschlafen habe und die Flucht vor den Giggern auch einigermaßen anstrengend war, habe ich darum gebeten als erster die Wache übernehmen zu dürfen. Erst schien alles gut zu laufen, ich habe versucht in kurzen, regelmäßigen Abständen von dem Fenster ins Erdgeschoß zu gehen und vor die Türe zu schauen, damit ich so viel wie möglich von der Umgebung beobachten kann. Nach einiger Zeit dachte ich mir, wenn die Gigger bis jetzt nicht gekommen sind, werden sie es heute wohl auch nicht mehr, also habe ich mich zu dem Fenster gesetzt. Das war ein ganz großer Fehler, denn nach kurzer Zeit hat mich die Müdigkeit gepackt. Noch bevor ich daran dachte aufzustehen und meine Ablöse aufzuwecken, bin ich eingeschlafen.
Geweckt wurde ich erst von einem gellenden Schrei, nur war dieser von keinem Gigger, sondern von Lara. Ein Gigger hatte sich zu uns geschlichen und begonnen Laras Bein anzunagen. Annagen ist wohl etwas untertrieben, denn als ich mich, aus dem Schlaf gerissen, zu ihr umgedreht habe, hing der Bestie ein Fetzen Haut aus dem Maul. Ramon reagierte blitzschnell, schnappte sich seinen Speer und hat sich auf den Eindringling gestürzt. Das Biest hat ihm einen harten Kampf beschert und wollte sich einfach nicht erstechen lassen. Er hat es sicher sieben, acht mal in den Torso gestochen und es ist einfach nicht gestorben. Erst als David sich mein Messer geschnappt und es der Kreatur in den Kopf gerammt hat, lag es nur noch zuckend am Boden. Habe vorher in einem meiner ersten Einträgen gelesen, dass ich so ein Ding mal einfacher zur strecke gebracht habe. Sehr seltsam. Die Konfrontation war allerdings noch nicht vorüber. Der Gigger lag zwar zuckend am Boden und machte auch keine Anstalten mehr aufzustehen, jedoch begann er ohrenbetäubend laut zu kreischen. Wieder reagierte Ramon blitzschnell und zertrümmerte mit ein paar harten Tritten den Kopf der Bestie. Während des ganzen Kampfes stand ich nur wie gelähmt vor dem Fenster und beobachtete das geschehen. Ich konnte mich nicht bewegen, weil mir vom ersten Moment an klar war, wessen Schuld der Gigger mit dem zertrümmerten Kopf am Boden und vor allem die heftig blutende Wunde an Laras Bein war.
Ich habe den Anderen erklärt, dass sich der Gigger hinter meinem Rücken hereingeschlichen haben musste, aber es interessierte niemanden, weil alle zu beschäftigt waren eine provisorische Trage für Lara herzustellen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich auch wieder unter Kontrolle gehabt und mitgeholfen die Trage zusammenzubauen.
Als wir mit der Konstruktion fertig waren und Lara auf sie gehoben haben, warf David die Frage in den Raum, ob wir sie vor dem Transport nicht erst versorgen sollten. Ramon meinte dazu nur, dass wenn wir noch länger bleiben, uns wahrscheinlich noch mehr Gigger besuchen würden. David erwiderte diese Aussage mit einem nicht allzu zufriedenen Gesichtsausdruck, sagte aber nichts weiter und wir machten uns ohne Verzögerung auf den Weg. Wir sind wieder weiter in den Wald gegangen, weg von der Stadt und der Mühle. Ich habe mich freiwillig gemeldet Lara zu tragen, was das Mindeste war, das ich machen konnte, nach dem was ich getan habe. David hat sie mit mir getragen, die meiste Zeit zumindest. Als er keine Kraft mehr hatte, hat ihn Ramon abgelöst.
Wir sind weit gegangen, sehr weit und das obwohl wir bei Tageslicht unterwegs waren. Erst als es schon recht finster war, sind wir stehen geblieben. Wir haben uns neben einer hohen Mauer niedergelassen, nicht unbedingt das beste Versteck, aber es muss wohl ausreichen.
Dort angekommen ist Lara, die den Großteil unseres Marsches geschlafen hat, wieder munter geworden. David hat sich sofort zu ihr gesetzt und mit ihr gesprochen, während Ramon ihre Wunde so gut er konnte gereinigt und versorgt hat. Ich bin nicht unweit von den dreien gesessen und habe mit Sophie gesprochen, eigentlich mehr zugehört als sonst etwas. Ich weiß auch gar nicht mehr wirklich was sie geredet hat, aber es kam mir so vor als wäre es größtenteil wirres Zeug gewesen. Sie hat wohl das kürzlich erlebte nicht allzu gut aufgenommen. Ich habe aber auch nicht wirklich gut zugehört, nur ab und zu mal genickt, beziehungsweise den Kopf geschüttelt, während ich bei dem Gespräch zwischen Lara und David zugehört habe. Sie hat zu diesem Zeitpunkt sehr schwach ausgesehen.
Offenbar hat Lara nie wirklich an einen Gott geglaubt. Diese Einstellung hat der Verlust ihres Mannes und Sohnes nur bestärkt und als die Gigger vor ihren Augen Menschen in Stücke gerissen haben war sie sich sicher, dass ein Gott so etwas nicht zulassen würde. Sie hat sich nie die Schuld für den Tod ihres Kindes und Mannes gegeben, obwohl sie ihren Sohn am Unglücksmorgen in die Schule bringen sollte. Ihr war klar, dass ihr oder jedem anderen das genauso passieren hätte können, wofür sie sich allerdings die Schuld gibt, ist der Streit mit ihren Eltern, der dazu geführt hat, dass sie sieben oder acht Jahre nichts mehr voneinander gehört haben. Sogar schlimmer scheint für sie zu sein, dass ihre Eltern nie deren Enkel sehen durften. Dann hat sie begonnen zu weinen und David gefragt, ob das eine Sünde sei, sie wolle nämlich nicht in die Hölle, woraufhin sie in den Himmel rufend Gott um Vergebung und um ihr Leben gebeten hat. David hat ihren Kopf genommen und sanft gegen seine Brust gedrückt, damit sie nicht weiterrufen konnte. Er hat sie am Kopf gestreichelt um sie zu beruhigen, woraufhin sie ruhiger wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Ramon mit seinem Verband bereits fertig und hatte sich zu Sophie gesetzt, um sie zu beruhigen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie aufgehört hat zu reden.
David hat sich bereit erklärt die erste Wache zu übernehmen und Ramon wird nach ihm den Wachdienst antreten, so kann ich endlich mal in ruhe rasten, falls ich es schaffen sollte einzuschlafen.
Jetzt wo ich meinem Tagebuch die heutigen Ereignisse geschildert habe muss ich aufpassen, dass es niemandem in die Hände fällt. Wer weiß was sie mit mir machen würden, wenn sie erfahren sollten, dass ich an Laras derzeitigen Zustand schuld bin. Werde es ab jetzt als Kopfpolster verwenden, nur um auf Nummer sicher zu gehen.

2 Kommentare:

derFassbinder hat gesagt…

Da ich keine Sterne abziehen kann, lasse ich diesen Beitrag unbewertet...

Rahadl hat gesagt…

Es wäre schön wenn du deine aussage etwas präzisieren könntest, quasi erklären.

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